Was ist möglich?
Beschränke niemals deine Kraft!
Was bedeutet „unmöglich“?
Eine der für einen asiatischen Kämpfer wohl mit Abstand spektakulärsten Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten zu demonstrieren, ist der sogenannte Bruchtest. Bei dieser Übung, die ihren Ursprung im alten China hat, geht es nicht um eine im realen Kampf anwendbare Technik, sondern um die Demonstration von Selbstüberwindung und Entschlossenheit. Der Kandidat durchschlägt mit der blossen Hand- oder Fusskante mehrere Ziegelsteine oder einen Holzblock.
Diese Aufgabe gehörte lange zu den wichtigsten Prüfungen im Shaolin-Kloster. Nicht nur illustrierte sie auf eindrucksvolle Weise, welche körperlichen Fähigkeiten ein Mensch erlangen kann. Sie ist auch ein beeindruckendes Lehrstück, das demonstriert: Unsere Kraft ist allein durch das definiert, von dem wir glauben, dass es uns möglich ist.
Wussten Sie, dass ein unerfahrener Kämpfer auf ein dickes, scheinbar unzerstörbares Holzstück mit einer viel geringeren Kraft schlägt als auf ein dünnes, bei dem ihm der Erfolg sicher scheint? Genau genommen ist diese Verhaltensweise natürlich exakt verkehrt, und man würde spontan das Gegenteil annehmen. Aber wenn Sie sich die Situation vorstellen, werden Sie erkennen, dass es tatsächlich so ist. Umgekehrt würde der gleiche Kämpfer auf ein Eisenteil mit der ganzen ihm zur Verfügung stehenden Kraft schlagen, wenn dieses nur aussähe wie ein zerbrechliches Holz.
Natürlich verhalten sich nicht nur Kämpfer so. Wir alle investieren viel weniger Energie in eine vorgeblich aussichtslose Sache als in etwas, das Erfolg verspricht.
Was wir daraus lernen können, ist: Jede Einschränkung unserer Möglichkeiten hat ihre Hauptursache nicht in unserem Können, sondern in mangelndem Glauben an den Erfolg.
Das mag auf den ersten Blick sogar vielleicht logisch und richtig erscheinen. Aber das ist es nicht. Denn erstens stellst sich die Frage, warum wir überhaupt in etwas investieren, wenn wir es von vornherein als sinnlos betrachten. Wäre es da nicht viel effizienter, es gleich zu lassen und so Zeit und Energie zu sparen? Dazu fehlt den meisten Menschen der Mut. Also machen sie eine Sache lieber lieblos als gar nicht. Zweitens, und dieser Punkt ist noch viel schwerwiegender, können wir daraus den Schluss ziehen, dass wir selbst mit unserer Einstellung den Erfolg verhindern! In der irrigen Meinung, unsere Ressourcen ohnehin zu verschwenden, reduzieren wir sie auf jenes Mass, dass genau zu dem Ergebnis führt, das wir uns vorgestellt haben. In vorauseilendem Gehorsam limitieren wir mutwillig unsere Kraft, nur um das vorher prognostizierte Scheitern auch tatsächlich herbeizuführen!
Ein Ziel nicht zu erreichen bedeutet nur in den seltensten Fällen, dass tatsächlich etwas gefehlt hat. Die meisten scheitern an nichts anderem als an mangelndem Glauben an die eigene Kraft.
Aus dem Buch „Lächeln ist die beste Antwort“ – 88 Wege asiatischer Gelassenheit von Bernhard Moestl